Ich sehe im gesamten Gigapixel-Hype die latente Suche nach dem Bauchnabel-Piercing. Das erinnert an die Wimmelbilder von Ali Mitgutsch. Wenn ich ein Gigapixel-Panorama sehe, ist mein ganz normaler Impuls, sofort einzuzoomen und nach dem Mord im Fenster oder irgendwas anderem bemerkenswerten zu suchen. Deshalb ist der Vorschlag, den Zoom zu beschränken auch komplett widersinnig, dann bräuchte man ja wohl kein Gigapixelbild. Auch den Einwurf, das Bild sei ein Gesamtkunstwerk und durch Licht und Linien bestimmt, will ich deshalb nicht gelten lassen. Beim Gigapixel zählt der Anfangseindruck höchstens als Start und Vor-dem-Zoom-Nach-dem-Zoom-Vergleich, wesentlich für den Zweck von das Ganze ist aber genau die Tatsache, dass man bis in Detailansichten hineinzoomen kann und soll. Bei diesem speziellen Foto kann man sich natürlich fragen, ob die Bewohner der Häuser in einer Großstadt, die großflächige Fensterfronten als Gucklöcher für ihren aufwändig gestalteten Lebensraum bereithalten, sich überhaupt daran stören würden, von irgendwoher statt nur betrachtet auch telefotografiert zu werden. Etwas exhibitionistisches haftet dieser Wohnoffenheit ja teilweise an. Aber für mich ist es doch schon ein großer Unterschied, ob ich abends bei unverhängtem Fenster vorm Fernseher rumlümmele und weiß, dass mich meine Gegenüberwohner sehen können, oder ob ich mich im Internet beim Rumlümmeln verewigt sehe. Ist auch ein Unterschied zu der Situation in der ich den Fotografen vor mir sehe und im Zweifel wegschauen, nachfragen oder ihm eins auf die Glocke geben kann. Verhindern kann man solches wohl nur noch dadurch, dass man sich wieder wie in den 50ern Vorhänge vors Fenster macht. Ich finde, Gigapixelei ist ein gutes Beispiel dafür, wie fragwürdig unsere Bildwelt inzwischen geworden ist. Es gibt immer auch gute Anwendungen, aber viele viele Beispiele sind für mich einfach respektlose Eingriffe in schützenswerte Räume.